93. Auktion

14.5.2016

Lot 561

Ilbery, London, Werk Nr. 6654, 62 x 88 mm, 159 g, circa 1810
Museale, mit Halbperlen besetzte Goldemail-Formuhr für den chinesischen Markt "Der Pfirsich". Unseres Wissens ist dieser Pfirsich das weltweit achte existierende Exemplar und ist in seiner Form die größte und best erhaltene Uhr. Es handelt sich hierbei wohl um die bedeutendste und wertvollste Uhr Ilberys, die derzeit auf dem Markt angeboten wird.
Geh.: Goldemail und Halbperlen. Ziffbl.: Email. Werk: Brückenwerk nach Lepine, Schlüsselaufzug, vergoldet, aufwändig floral graviert, signiert, aufwändig floral graviertes, fliegendes Federhaus, Duplexhemmung, dreiarmige Stahlunruh mit Schrauben und trapezförmigen Gewichten, durchbrochen gearbeiteter und fein floral gravierter Unruhkloben, chatonierter Diamantdeckstein auf Unruh.
Die Gehäuserückseite ist vollflächig polychrom emailliert und in zarten Farbtönen abgestuft, um der Frucht möglichst ähnlich zu sein. Zwei transluzid grüne, mit Halbperlen eingefasste Blätter ragen aus dem als Stiel geformten Anhänger und liegen plan auf dem Fruchtkorpus. Der Stiel, der eine Schlaufe für den Anhänger bildet, ist ebenfalls mit Halbperlen verschiedener Größen und Ausformungen besetzt.
Auf der Vorderseite wird das weiße Emailzifferblatt von einem in zartem Grün gehaltenen Rand mit transluzid rot emaillierten Tropfen eingefasst. Das Mittelteil ist besetzt mit einer Bordüre aus zierlichen Halbperlen. Das Zifferblatt hat neben römischen Zahlen und goldenen, herzförmigen Zeigern eine Zentralsekunde.
Durch das Betätigen eines kleinen seitlichen Drückers gelangt man zur aufwändig mit transluzidem und opakem Champlevé Email dekorierten Goldcuvette mit geometrischem, blau-weißem Muster im Zentrum und einer umlaufenden schwarzen Einfassung mit goldenem Weinlaub- und transluzidem Traubendekor. Das aufwändig floral gravierte Werk mit chinesischer Duplexhemmung ist in der typischen Ausformung Ilberys gestaltet und birgt neben der Signatur die Werknummer 6654.
Provenienz: Hendrik van Gilse van der Pals (1856 - 1928), niederländischer Konsul, danach für die meiste Zeit Verbleib in der Familie van Gilse van der Pals, einer bekannten niederländisch-finnischen Sammler- und Musiker-Familie.
Hendrik van Gilse van der Pals war niederländischer Konsul und Gummifabrikant in Sankt Petersburg, dessen Vorfahren aus den niederländischen Adelsgeschlechtern van Gilse und van der Pals in Rotterdam stammten. Der reiche Industriellenhaushalt beteiligte sich aktiv am Musikleben von Sankt Petersburg. Im "Familienschloss" fanden Konzerte unter anderem mit dem Komponisten Anton Arensky und dem Pianisten und Dirigent Willem Mengel statt. Außerdem traf man Gustav Mahler und Alexander Glazunov. Sein ältester Sohn Leopold van der Pals (1884–1966) war Komponist in Berlin und der Schweiz und komponierte vor allem für Rudolf Steiner. Sein zweiter Sohn Max van Gilse van der Pals (1885–1966) wurde Baron und Landwirt auf dem Gut Laakspohja nahe Lohja in Finnland, heiratete Sara Stjernvall, Tochter des russischen Eisenbahnministers Knut Stjernvall (Nikolai-Bahn).
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/ Nikolai_van_Gilse_van_der_Pals, Stand 28.04.2016.

Diese bedeutende Uhr der Kategorie der "Phantasieuhren", ist eine von acht verbliebenen Uhren weltweit, die als Pfirsich geformt sind. Sechs davon werden als spiegelverkehrtes Paar in bedeutenden Museen und Sammlungen aufbewahrt und werden teilweise als Mango tituliert:
Ein frühes Pärchen ohne Signatur befindet sich heute in einer Privatsammlung und war ursprünglich Teil der Sandberg Collection (abgebildet und beschrieben in Terence Camerer-Cuss "The Sandberg Watch Collection", Seite 432-433). Ein weiteres Paar befindet sich in der Fondation Hans Wilsdorf/Rolex. Es trägt die Signatur Ilberys und die Werknummern 6494 und 6495 (abgebildet und beschrieben in Alfred Chapuis "Montres et Émaux de Genève" - Collection H. Wilsdorf, Lausanne 1944, Seite 138-139). Das dritte bekannte Paar, ebenfalls von Ilbery, ist im Patek Philippe Museum in Genf.
Diese drei Pfirsichpaare waren als Leihgabe Teil der Ausstellung des Patek Philippe Museums "Le Miroir de la Séduction" - Prestigieuses paires de montres "chinoise", die vom 15. Mai bis 16. Oktober 2010 in Genf stattfand. Sie sind abgebildet und beschrieben im Ausstellungskatalog Seite 82-83, 90-91 und 92-93.
Konzipiert wurden die meisten Pfirsiche als spiegelverkehrt gestaltete Email-Taschenuhren-Paare, um den kulturellen Forderungen Chinas nach einer doppelten Existenz und paarweisem Dasein als Sinnbild kosmischer Ganzheit gerecht zu werden.
Von der Natur inspiriert, wurden diese Phantasieuhren speziell für den chinesischen Markt gegen Ende des 18. Jahrhunderts bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts in Genf gefertigt. Abstrakte Konturen und dekorative Motive waren modern geworden, die Vorstellungskraft kannte keine Grenzen. Die Inspiration für die verwendeten Themen stammte aus der Natur und von Alltagsobjekten. Dies führte zu einer Fülle an neuen, dekorativen Motiven, wie Himmelskörper, Hüte und Schuhe, Musikinstrumente, Tiere, Pflanzen und verschiedene Früchte.
Trotz seines dekorativen Erscheinungsbildes hat der Pfirsich in China einen wichtigen symbolischen Charakter: Der Pfirsich steht als Sinnbild für ein langes Leben bei den Menschen und für die Unsterblichkeit bei den Göttern.
William Ilbery (circa 1760 - 1839) begann sein Schaffen 1780 in der Goswell Street in London und zog von dort aus später in die Duncan Terrace. Angeregt durch das Beispiel von James Cox in London und Pierre Jaquet-Droz in der Schweiz spezialisierte sich Ilbery auf die Herstellung von Luxusuhren für den chinesischen Markt. Er orientierte sich anfangs stark am traditionellen englischen Stil mit Vollplatinenwerk und Duplexhemmung. Spätere Werke haben wie das Lepine-Kaliber ein freistehendes Federhaus, ein Design, das in London auch Jaquet-Droz und William Anthony verwendeten. Ilbery ließ die Gehäuse seiner Uhren von besten Genfer Emaillierern wie Jean-Francois-Victor Dupont und Jean-Louis Richter auf das Aufwendigste verzieren. Ilbery veranlasste die Produktion reich gravierter Werke für den asiatischen Markt in Fleurier in der Schweiz; andere Uhrmacher in Fleurier wie z.B. Bovet und Juvet folgten seinem Beispiel. Daher kann man Ilbery zweifellos als einen der renommiertesten Hersteller der sog. "chinesischen Uhren" bezeichnen. Obwohl er hauptsächlich in London arbeitete, hielt Ilbery engen Kontakt mit dem Handelsverkehr in anderen Ländern; es existiert eine Uhr mit der Signatur "Ilbery Paris" und Ilbery & Son sind in London und Fleurier sowie in Kanton eingetragen.

Verkauft

schätzpreis
160.000250.000 €
Realisierter Preis
192.200 €