110. Auktion

18.5.2024

Lot 236

William Clay fecit
Oliver Cromwell

Historisch bedeutende, puritanische, einzeigrige Spindeltaschenuhr mit Datum - ehemals im Besitz des englischen Staatsmanns Oliver Cromwell, seit 1650 im Besitz der Familie Blackwell

Verkauft

schätzpreis
150.000200.000 €
Realisierter Preis
217.800 €
Merkmale
Gehäuse
Silber.
Zifferblatt
Silber, vergoldeter Datumsring.
Werk
Ovales Vollplatinenwerk, Kette/Schnecke, Spindelhemmung, zweiarmige Stahlunruh.
Maße31 x 25 mm
Circa1648
LandEngland
Gewicht25 g


Wenn ein solcher Kenner historischer und außergewöhnlicher Uhren wie Jonathan Wachsman davon spricht, dies sei "vielleicht das wichtigste und seltenste Stück, das er jemals in Händen hielt", dann ist klar, dass es sich um etwas ganz Besonderes handeln muß.
Und in der Tat kommen hier ein nicht leicht zu fassender, dennoch berühmter Uhrmacher, ein Besitzer, der zu den bedeutendsten Gestalten der englischen Geschichte gehört, und die Erzählung einer Uhr zusammen, die in der langen Zeit ihres Bestehens zwar nie in Vergessenheit geriet, aber seit ihrem Übergang in den Familienbesitz vor 370 Jahren nur ein einziges Mal der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
William Clay
Der Londoner Uhrmacher William Clay starb um 1662, und auch wenn seine wenigen bekannten Arbeiten von bester Qualität waren, ist über Leben und Werk doch nicht viel in Erfahrung zu bringen. Man kennt die Namen dreier Lehrlinge, die er zwischen 1646 und 1659 in seiner Werkstatt in der King's Street in Westminster aufgenommen hatte und man weiß, dass er zwar als sogenannter "Brother" mit der Clockmaker's Company verbunden, aber nie ein offizielles Mitglied war. "William Clay fecit" signiert ist die prachtvolle Goldemail-Taschenuhr, die unser Auktionshaus im Jahr 2018 versteigern konnte, und stets erwähnt, wenn es um seine Werke geht, werden eine hervorragende Laternenuhr und eine Uhr, die Oliver Cromwell nach der Belagerung des irischen Städtchens Clonmel im Jahr 1650 seinem Mitstreiter John Blackwell schenkte.
Dass genau diese Uhr jetzt in unserer 110. Auktion aufgerufen werden wird, ist für uns genauso sensationell wie es ihr überraschendes Erscheinen auf dem Markt im Jahr 2019 war, als sie von direkten Nachkommen Blackwells verkauft wurde.
Oliver Cromwell
1599 wurde Oliver Cromwell in Huntingdon, etwa 90 km nördlich von London, in eine wohlhabende Familie des Landadels geboren. Nach der Huntingdon Grammar School zog es ihn nach Cambridge, wo er am Sidney Sussex College studierte, die Grundlagen für seine spätere Laufbahn legte und die Ideen des Puritanismus in sich aufnahm.
Cromwells politische Karriere begann in den 1620er Jahren, als er als Abgeordneter für das Parlament diente. Er war bekannt für seine puritanischen Überzeugungen und seine Opposition gegen die Herrschaft von König Karl I. Während des Englischen Bürgerkriegs, der von 1642 bis 1651 dauerte, stieg Cromwell schnell in den Rängen der Parlamentsarmee auf. Er gründete die Ironsides, eine Truppe von tapferen und disziplinierten Soldaten - in der Mehrzahl Puritaner -, die zu einem Rückgrat seiner Macht wurden. In den Schlachten von Marston Moor (1644) und Naseby (1645) führte er die parlamentarische Armee zu entscheidenden Siegen, die das Schicksal Englands für immer verändern sollten.
Nach der von ihm unterstützen Hinrichtung König Karls I. und der Ausrufung der Republik stand Cromwell an der Spitze einer neuen Ära in England. Als Lordprotektor regierte er das Commonwealth von England, Schottland und Irland mit eiserner Faust. Er führte Reformen durch, um die Verwaltung zu verbessern und die religiöse Toleranz zu fördern, während er gleichzeitig autoritäre Maßnahmen gegen politische Gegner ergriff. Viele seiner Entscheidungen waren umstritten, vor allem die Geschehnisse während der brutalen Rückeroberung Irlands ab 1649 belasten bis heute die Geschichte beider Länder.
Oliver Cromwell starb am 3. September 1658 im Alter von 59 Jahren. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Richard für kurze Zeit die Rolle des Lordprotektors, doch seine Regierung war instabil und wurde schließlich gestürzt. Die Monarchie wurde 1660 mit der Restauration von König Karl II. wiederhergestellt, und Cromwells Leichnam wurde exhumiert, öffentlich gehängt und enthauptet.
Cromwells Uhr und John Blackwell
John Blackwell (1624-1701), war der älteste Sohn von John Blackwell (1594-1658), einem wohlhabenden Londoner Kaufmann und Lebensmittelhändler von König Karl I. mit starken puritanischen Idealen. Wenn auch nicht von Rückschlägen verschont, war er doch ein angesehener Offizier, der von Cromwell ein Kommando über seine Ironside-Truppe übertragen bekam. Zudem wurde er zum stellvertretenden Kriegsschatzmeister ernannt; durch die Heirat Blackwells mit Elizabeth Smithsby, einer Cousine Cromwells, waren beide auch familiär verbunden.
Während des erwähnten Feldzugs nach Irland, der die dort entstandene Allianz zwischen der irischen Konföderation und den Royalisten um Karl II., den Sohn des hingerichteten Karl I. treffen sollte, kam es von April bis Mai 1650 zur Belagerung von Clonmel. Gemäß der Familienüberlieferung erhielt Blackwell dort die Uhr als Geschenk.
Bedenkt man die gemeinsamen Überzeugungen der beiden Männer, die sich stark dem Puritanismus verpflichtet fühlten, ist Cromwells Uhr ein durchaus sinnfälliges Geschenk: Im einfachen ovalen Silbergehäuse findet sich auf dem Zifferblatt als einziger Schmuck eine gravierte Hand, die auf dem vergoldeten Datumsring den Tag anzeigt. Mit 31 x 25 mm ist die Uhr außerdem von sehr zurückhaltender Größe und insofern kein Stück, das der prunkvollen Inszenierung eigenen Wohlstands dient - ganz anders als Clays 22-karätige Goldemail-Taschenuhr mit ihrer überwältigenden Fülle farbigen Champlevé-Emails, die einige Jahre zuvor entstand.
Trotz seiner engen Nähe zu Cromwell überstand Blackwell die Restauration nach dessen Tod. Er wurde jedoch dauerhaft von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und ging 1684 mit seiner zweiten Frau, einer Tochter des berühmten republikanischen Generals John Lambert, nach Amerika. Sie ließen sich in der Massachusetts Bay nieder, wo ihm von William Penn das Gouverneursamt von Pennsylvania angeboten wurde. 1693 oder 1694 kehrten sie nach England zurück, wo Blackwell 1701 in Bethnal Green starb.
Cromwells Uhr ging auf den irischen Zweig der Familie Blackwell über, der sich schon in der Zeit vor Cromwell auf der Insel niedergelassen hatte und dort den Namen Bagwell trug. Im Jahr 1808 zeigte Oberst Bagwell (1751-1816), der damalige Besitzer, die Uhr Richard Gough (1735-1809), einem angesehenen Antiquar und Autor von "A short genealogical view of the family of Oliver Cromwell" (London, 1785). Gough ließ Cromwells Uhr in drei Positionen skizzieren, bevor er die Zeichnungen unter dem Pseudonym "P.Q." im "Gentleman's Magazine" veröffentlichte.
Seitdem war die Uhr nur noch einmal in der Öffentlichkeit zu sehen. Damals war sie im Besitz von Oberst Bagwells Ururenkelin Elizabeth Langley (1864-1953) und wurde im Dezember 1914 in der Somersetshire Archaeological and Natural History Society ausgestellt. Ein Foto davon erschien Jahre später im Magazin "The Connoisseur" von 1919.
100 Jahre danach war Cromwells Uhr immer noch im Besitz der Blackwell-Nachfahren, als sie sich entschlossen, sich von dem wertvollen Stück zu trennen. Nicht nur wegen der lange zurückliegenden Zeiten, auch aufgrund seiner puritanischen Haltung und der posthumen Verurteilung ist es eines der extrem seltenen Objekte, das direkt mit Oliver Cromwell, einem der bedeutendsten Staatsmänner in der Geschichte Englands, verbunden werden können.
Ein Stück von großem historischem Wert, das die Jahrhunderte in perfektem Zustand überdauert hat.

Portrait John Bagwell
https://www.proantic.com/en/477853-portrait-of-john-bagwell-mp-1751-1816-c1800.html
Buch A short genealogical view of the family of Oliver Cromwell
https://books.google.de/books?id=VXJbAAAAQAAJ&pg=PR3&hl=de&source=gbs_selected_pages&cad=1#v=onepage&q&f=false
The Connoisseur 1919
https://archive.org/details/connoisseur54londuoft/page/38/mode/2up