111. Auktion

16.11.2024

Lot 224

Anonymous
IHS

Museale, frühe und seltene Miniatur-Halsuhr mit Emaildekoration

Verkauft

schätzpreis
18.00030.000 €
Realisierter Preis
22.000 €
Merkmale
Gehäuse
Silber und Messing, durchbrochen gearbeiteter Frontdeckel, Rückseite mit Vogel und Blütenranken in polychromem Champlevé Email.
Zifferblatt
Silbe.
Werk
Vollplatinenwerk, Darmsaite/Schnecke, Spindelhemmung, Stackfreed, vierarmige Messingunruh ohne Unruhspirale.
Maße18 mm
Circa1580
LandFrankreich
Gewicht11 g


Der Frontdeckel ist scharniert und wie eine gotische Fensterrose durchbrochen gearbeitet, mit 12 Ausschnitten für Stundenzahlen und Christusmonogramm "IHS" (Jesus Hominum Salvator) im Zentrum. Das Zifferblatt aus Silber besitzt römische Stunden und ist umgeben von einem Band aus polychromem Champlevé-Email. Der Rückdeckel ist reich verziert mit Gravuren und Resten von polychromem Champlevé-Email einer Blütenranke und einem Vogel. Das frühe Renaissancewerk ist rund und folgt damit der Form des Gehäuses und ist ausgestattet mit Spindelhemmung, Stackfreed und einer vierarmigen Messingunruh ohne Unruhspirale.
Im Jahre 1580 befand sich Europa in der Renaissance, einer Zeit großer Fortschritte in Kunst, Wissenschaft und Technik. Die Herstellung von tragbaren Uhren begann im frühen 16. Jahrhundert, doch um 1580 waren diese Uhren immer noch relativ selten und teuer, weshalb sie in erster Linie von Adligen und wohlhabenden Bürgern getragen wurden.
Für die Besitzer solcher Uhren war das Tragen einer Halsuhr mehr als nur ein praktischer Weg, die Zeit im Auge zu behalten. Diese Uhren waren oft ein Statussymbol und spiegelten den Wohlstand und den sozialen Rang wider. Zudem standen sie für Fortschritt und Wissenschaft, da das Messen der Zeit als ein Ausdruck der Kontrolle über das Leben und die Natur galt.
Diese frühen tragbaren Uhren wurden oft mit einer Kette um den Hals getragen, da sie aufgrund ihrer Größe und Form noch nicht bequem in eine Tasche passten. Sie waren in der Regel groß und klobig im Vergleich zu moderneren Uhren. Sie hatten oft ein rundes oder eiförmiges Gehäuse, das aus edlen Metallen wie Gold oder Silber gefertigt war und häufig aufwändig verziert war. Gravuren, Edelsteine und emaillierte Verzierungen waren keine Seltenheit, da diese Uhren als Schmuckstücke galten. Zifferblatt und Zeiger mussten extra geschützt werden, denn die Gefahr, dass man mit dem Gewand am Zeiger hängen blieb, war groß. Deshalb wurden Zifferblatt und Zeiger mit einem schützenden Deckel aus Metall, der nicht nur aus ästhetischen Gründen fein durchbrochen war, oder seltener Glas abgedeckt. Der durchbrochene Metalldeckel gab den Blick auf die Stundenziffern und die Spitze des Zeigers frei, sodass auch bei geschlossenem Deckel die Uhrzeit abgelesen werden konnte.
Mit einem Durchmesser von nur 18 mm und einem Gewicht von gerade mal 11 Gramm ist die vorliegende Halsuhr aus dem Jahr 1580 ein eindrucksvolles Beispiel für die Kunstfertigkeit und Miniaturisierungstechnik der Spätrenaissance. Sie wurde vermutlich von wohlhabenden oder adligen Persönlichkeiten als Statussymbol und praktisches Schmuckstück in Auftrag gegeben.
Das Uhrwerk ist vergoldet und weist die typischen Merkmale einer Uhr des 16. Jahrhunderts auf. Für den Uhrmacher war die Unterbringung eines funktionierenden Zeitmessers in einem so kleinen Gehäuse eine Herausforderung. Diese Uhren wurden oft von den besten Uhrmachern ihrer Zeit hergestellt, die in Städten wie Genf, Nürnberg und London tätig waren. Berühmte Uhrmacher wie Peter Henlein, der als Erfinder der ersten tragbaren Uhr gilt, spielten eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung dieser tragbaren Zeitmesser.
Die Verzierungen auf dem Miniaturgehäuse sind ebenfalls meisterhaft gearbeitet und zeugen von hoher Goldschmiedekunst.
Das zentrale Christusmonogramm "IHS" (Jesus Hominorum Salvator) auf der Vorderseite weist auf die Frömmigkeit des Trägers hin. Das Monogramm steht für „Iesus Hominum Salvator“ (Jesus, Erlöser der Menschen) und war zu dieser Zeit ein häufig verwendetes Symbol auf religiösen Gegenständen und Schmuckstücken.
Die Rückseite ist mit einem großen Vogel sowie Blüten und Blattranken aus Champlévé-Email verziert. Das Gehäusemittelteil hingegen ist mit einer Bordüre aus länglichen und runden, ebenfalls mit Email gefüllten Vertiefungen versehen. Das mehrfarbige Email ist altersbedingt nur noch teilweise vorhanden, da es sehr empfindlich ist. Für die Champlévédekoration werden in einen Metallgegenstand Vertiefungen geschnitten oder geätzt, in die dann Glaspulver gefüllt wird, das erhitzt wird, wodurch das Glaspulver schmilzt und nach dem Schleifen und Polieren eine glatte, farbige Oberfläche entsteht.
Die Champlévé-Technik wurde bereits im Mittelalter angewendet, erlebte aber um 1580 eine erneute Beliebtheit, besonders in Europa. Bedeutende Zentren der Herstellung solcher Werke waren damals Limoges oder Blois in Frankreich und verschiedene Städte in Flandern und Deutschland vor allem in Augsburg und Nürnberg.
Die verwendeten Pflanzenmotive waren in der Renaissance sehr beliebt und tauchten häufig in der Kunst und Architektur auf. Sie symbolisieren häufig Wachstum, Lebendigkeit und den Kreislauf des Lebens. Der Vogel hingegen steht oft für Freiheit, Seele oder spirituelle Erhebung.
Fazit:
Im späten 16. Jahrhundert waren tragbare Uhren ein technologisches Wunder und wurden in Zentren wie Nürnberg, Augsburg oder auch Genf gefertigt, wo die Uhrmacherei florierte. Diese Uhren dienten nicht nur dem praktischen Zweck der Zeitmessung, sondern waren auch Ausdruck von technologischem Fortschritt und symbolisierten Macht und Prestige. Ihre Miniaturisierung und Präzision machten sie zu begehrten Luxusgütern. Die Verbindung von christlicher Symbolik und fortschrittlicher Uhrmacherei macht diese Uhr zu einem besonderen Zeugnis der Verschmelzung von Kunst, Technologie und Glauben während der Renaissance.